Patientenlotsen koordinieren den Klinikaufenthalt besonders bedürftiger Patienten. Dazu stehen sie in engem Kontakt mit allen betroffenen Schnittstellen. Zwei Fachkräfte berichten aus ihrem Alltag.

  Wenn morgens im Klinikum Darmstadt die ärztliche Visite auf der neurochirurgischen Station beginnt, ist Dominique Illum immer dabei. Sie will sich persönlich ein Bild von den Patientinnen und Patienten machen, deren Krankenhausaufenthalt sie eng begleitet. Denn Dominique Illum ist Patientenlotsin – oder klinische Fallmanagerin, wie die Tätigkeit bei ihrem Arbeitgeber genannt wird. Die Berufsbezeichnung ist kein geschützter Begriff, auch eine Case Managerin wird hier noch zu Wort kommen. Genauso vielfältig wie die Bezeichnungen ist das Aufgabenfeld in diesem relativ neuen Tätigkeitsbereich – und der Grund, warum Dominique Illum sich vor Kurzem entschied: „Genau das will ich machen.“  

Lotsen im Versorgungsdschungel

Nach 24 Jahren als Krankenschwester auf der Intensivstation suchte sie nicht nur eine neue Herausforderung. „Es hat mir auch gefehlt zu erleben, wie es mit den Patienten weitergeht“, erinnert sie sich. Also hospitierte sie 2024 im vier Jahre zuvor etablierten Fallmanagement und war sofort begeistert. Grob gesagt, besteht ihre Aufgabe nun darin, Patienten und ihre Angehörigen durch den oft unübersichtlichen Versorgungsdschungel zu lotsen und die erforderlichen Maßnahmen optimal zu koordinieren. Ausgewählt werden sie nach bestimmten Kriterien bereits beim Eintreffen auf der Station. Besonderes Augenmerk richtet sich auf Menschen, die meist die 75 überschritten haben, von chronischen Erkrankungen oder Multimorbidität betroffen sind.

 

Patient steht immer im Mittelpunkt

Dazu schließt sich Dominique Illum vom Tag der Einweisung an kontinuierlich mit Ärzten, Pflegekräften, Mitarbeitern der Physiotherapie und des Sozialdienstes kurz. Ihr Vorteil: „Ich bin am nächsten am Patienten, erfasse das Vorher und den Ist-Zustand, erstelle eine Bedarfsanalyse und plane mit dem Sozialen Dienst, wo es anschließend hingehen kann.“ Dabei hat sie auch die häusliche Situation im Blick. In alle Entscheidungen sind die Patienten selbstverständlich eingebunden, Angehörige werden auf Wunsch eingebunden.

„Bei der Begleitung durch Fallmanager steht der Patient immer im Mittelpunkt“, betont Dominique Illums Vorgesetzte, Pflegedienstleitung Manuela Dietz. Doch darüber hinaus schone die optimale Versorgung und individuelle Pflege auch die Ressourcen der Kliniken – indem sie die Verweildauer und den sogenannten Drehtüreffekt senke, also den erneuten Krankenhausaufenthalt vermeide, weil Patienten nicht die passgenaue Anschlussversorgung erhalten haben.

Bindeglied zwischen allen Berufsgruppen

Das sieht auch Romy Simeth so. Als Case Managerin HNO im Universitätsklinikum Regensburg (UKR) kümmert sie sich in erster Linie um Patienten mit Krebserkrankungen während ihres Aufenthalts auf der Station. Ihre Funktion bezeichnet sie als „wichtiges Bindeglied zwischen allen Berufsgruppen“. Als das Case Management 2006 in der Klinik eingeführt wurde, legte die langjährige Intensiv-Krankenschwester gerade ein Fernstudium zum Pflegemanagement ab, bewarb sich und gehört so zu den Pionierinnen im neuen Aufgabenbereich. „Darüber bin ich heute noch glücklich“, sagt Romy Simeth. 

  

Kommunikation ist das A und O

An ihrer Tätigkeit schätzen beide Fachkräfte die Abwechslung zwischen Schreibtisch und Station und dass sie jeden Tag etwas bewegen können. Großen Zuspruch und hohe Wertschätzung erhalten sie von allen Beteiligten, mit denen sie in ihren Häusern stationsübergreifend zusammenarbeiten. Ihr Einsatz sei mittlerweile fest etabliert und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. „Wenn wir mal nicht da sind, werden wir sofort vermisst", so Romy Simeth augenzwinkernd. Das beginne schon mit der Bettenplanung, für die sie zuständig sei, was die Pflege entlaste. Die Ärzte wiederum profitierten davon, dass sie die Umsetzung der Therapie überwache. Und um für Klinik und Patienten kostbare Zeit zu sparen, plant sie bereits am Aufnahmetag die wichtigsten Schritte für die Entlassung. Anders als beim täglichen Rundgang durch die Station in Darmstadt, tauschen sich in Regensburg die Case Manager mit Ärzten, Pflegefachkräften und Physiotherapeuten in einer allmorgendlichen Tafelvisite aus. „Case Management ist ständige Kommunikation mit allen“, erklärt Romy Simeth. Davon profitieren auch Angehörige. „Wir sind tagsüber vor Ort und können auch am Telefon umfassend Auskunft geben.“ Damit entlasten sie auch Pflegefachkräfte, die sich so ungestörter auf die Patientenversorgung konzentrieren können.  

 

Qualifizierte Pflegefachkräfte besonders geeignet 

Egal ob Pflegelotse, Fall- oder Case Manager: Als grundlegende fachliche Qualifikation haben sich praktische Erfahrungen in der Pflege als sinnvoll erwiesen, die Kliniken setzen jedoch auch Weiterbildungsmaßnahmen voraus: „Wir erwarten ein Studium oder zumindest einen Zertifizierungskurs im Rahmen eines Studiums“, so Pflegedienstleitung Manuela Dietz. Als weitere wichtige Voraussetzungen für den Job nennt Romy Simeth neben der ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit auch Verantwortungsbewusstsein und großes Organisationstalent. „Außerdem sollte man kreativ im Denken sein“, fügt Dominique Illum hinzu. „Standardlösungen helfen nicht immer weiter, wir arbeiten ja mit Menschen.“ Empathie und Geduld seien vorteilhaft, auch schade es nicht, hier und da mal die Ellenbogen auszufahren, um sich zu behaupten. Und, da sind sich beide „Lotsinnen“ einig: Selbst wenn einem ein Schicksal nahegehe, müsse man sich abgrenzen können und dürfe es nicht mit nach Hause nehmen. Auch das will gelernt sein.

 

Erscheinungszeitpunkt: April 2025
Bildquelle: Coloplast
Redaktion: mk Medienmanufaktur GmbH

Wem Patientenlotsen helfen  

Patientenlotsen kümmern sich insbesondere um Patienten, die einige der folgenden Kriterien aufweisen:

  • hohes Lebensalter
  • schwere chronische Erkrankung oder Multimorbidität
  • Einnahme mehrerer Medikamente
  • häufige Krankenhausaufenthalte oder Stürze in der Vergangenheit
  • Pflegegrad oder bereits ambulanter Pflegebedarf vor dem Krankenhausaufenthalt

Wie Patientenlotsen helfen

Patientenlotsen, Case- oder Fallmanager

  • erfassen die individuellen Bedarfe von Patienten
  • erstellen in Abstimmung mit Ärzten, Sozialem Dienst und gegebenenfalls Angehörigen einen Versorgungsplan
  • organisieren und koordinieren die erforderlichen Leistungen von Behandlungsterminen über Pflegedienste bis zu Haushaltshilfen
  • begleiten, beraten und schulen Patienten
  • kümmern sich um den Informationsfluss zwischen allen Beteiligten

Modellprojekt Patientenlotsen

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Zunahme an chronischen Erkrankungen gab die Bundesregierung 2018 eine Studie zum Versorgungsmanagement durch Patientenlotsen in Auftrag. Es entstanden seitdem deutschlandweit mehrere Modellprojekte, einige sind mittlerweile dauerhaft in den Kliniken etabliert, andere wurden zurückgefahren oder eingestellt. Finanziert werden sie in der Regel durch Landes- oder Krankenkassenmittel. Eine Verankerung im Sozialgesetzbuch (SGB V) steht noch aus.

 

„Der Patient steht immer im Mittelpunkt.“

Manuela Dietz, Pflegedienstleitung Klinikum Darmstadt


Bild: Klinikum Darmstadt

„Wir sorgen dafür, dass in der Pflege keine wertvolle Zeit verloren geht.“

Dominique Illum, Klinische Fallmanagerin Klinikum Darmstadt


Bild: Klinikum Darmstadt

„Es gefällt mir, dass ich jeden Tag etwas bewegen kann.“

Romy Simeth, Case Managerin, Universitätsklinikum Regensburg


Bild: Universitätsklinikum Regensburg

Je nach Krankenhausgröße betreuen Patientenlotsen zehn bis 25 Patienten gleichzeitig. Dabei machen sie sich von jedem einzelnen ein möglichst genaues Bild.

Bild: Coloplast

Vernetzt: Wie hier im Klinikum Darmstadt stehen Patientenlotsen in ständigem Kontakt zu allen beteiligten Behandlern im Haus.

Bild: Klinikum Darmstadt

Romy Simeth (rechts) vom Universitätsklinikum Regensburg schätzt an ihrer Arbeit als Case Managerin, dass sie nicht nur am Schreibtisch sitzt.

Bild: Universitätsklinikum Regensburg