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Mithilfe der Epigenetik lassen sich einzelne Gene quasi an- oder abschalten. In Collegial beschreibt Professor Wolfgang Wagner von der Uniklinik RWTH Aachen mögliche Effekte auf die Tumortherapie oder den Alterungsprozess.
Dass ein gesunder Lifestyle Erkrankungen vorbeugen und lebensverlängernd wirken kann, hat sich herumgesprochen. Ebenso gehört es zum allgemeinen Konsens, dass gewisse „Veranlagungen“ in den Genen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Doch wie entstehen die Effekte eines bestimmten Lebensstils auf Gesundheit und Alterungsprozess? Und sind wir den Erbinformationen in unseren Genen wirklich hilflos ausgeliefert, oder gibt es Möglichkeiten, medizinisch oder gar durch Verhaltensweisen darauf Einfluss zu nehmen? Ein noch relativ junges Forschungsgebiet geht diesen Fragen nach: die Epigenetik.
Gene lassen sich modifizieren
Die Epigenetik kontrolliert, kurz zusammengefasst, welche Bereiche unseres Genoms aktiviert sind und welche nicht. Bildlich gesprochen, lassen sich mithilfe der Epigenetik Gene an- oder abschalten beziehungsweise modifizieren. „Man kann sich die Epigenetik vorstellen wie die Dirigentin eines großen Orchesters“, sagt Professor Wolfgang Wagner, Direktor des Instituts für Stammzellbiologie am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der Uniklinik RWTH Aachen. Gemeinsam mit seinem 20-köpfigen Team erforscht er unter anderem die Prozesse des Alterns und der Entstehung von Tumoren. Die Epigenetik bezeichnet er als sein „Steckenpferd”.
Stammzellen: Grundlage für sämtliche Körpergewebe
Zunächst muss man wissen: Sämtliche Gewebe des menschlichen Körpers werden aus Stammzellen generiert. Sie verfügen alle über den gleichen Bauplan, also die gleichen Chromosomen und Erbinformationen. Ihre unterschiedlichen Funktionen im Körper entwickeln sich daraus, welche Bereiche des Genoms abgelesen werden. Beim Altern oder auch bei der Entstehung von Erkrankungen wie Tumoren nimmt die Stammzellenfunktion ab oder gerät aus dem Ruder.
Die Interaktion zwischen genetischen und epigenetischen Mechanismen ist sehr komplex, und nach wie vor hat die Forschung nicht geklärt, wie zum Beispiel epigenetische Muster über das ganze Genom koordiniert werden. „Wir verstehen einzelne Bereiche, wissen aber noch nicht, was hinter der Steuerung der gesamten Landschaft steht“, so Professor Wagner. Das sei auch der Grund dafür, weshalb für die Entwicklung zielgerichteter Therapien noch viel Grundlagenforschung nötig ist.
Neue Methoden verbessern die Sequenzierungstechnik
Doch es geht rasant voran: Technologische Fortschritte haben die Methoden der Sequenzierungstechnik in den letzten 15 Jahren auf beeindruckende Weise verbessert, erklärt der Mikrobiologe und Arzt. Mithilfe der „Genschere“ CRISPR/Cas9 beispielsweise lassen sich Erbmoleküle präzise an einer Stelle durchtrennen und gezielt neue Abschnitte einfügen. Wagners Team nutzt verschiedene Editiermöglichkeiten, also Methoden, die Methylierungszustände der DNA zu verändern. Die Methylierung steuert die Aktivität von Genen. Die zweite Hauptebene für die epigenetische Regulation ist der sogenannte Verpackungsgrad der DNA, die in Chromosomen eingewickelt ist. Der Dichtegrad entscheidet über die Möglichkeiten der Modifizierung.
Lebensstil der Mutter kann Gene im Embryo aktivieren1
Grundsätzlich sind epigenetische Veränderungen im Gegensatz zu Genen zwar nicht vererbbar. Dennoch hat man herausgefunden, dass Umwelt und Veranlagung einander beeinflussen. Bestimmte Verhaltensweisen können Markierungen an den Genen hinterlassen, die zum An- oder Abschalten einzelner DNA-Sequenzen führen – im Positiven, etwa durch gesunde Ernährung oder Bewegung, ebenso wie im Negativen, wozu beispielsweise Stress, Tabak- und Alkoholkonsum gehören. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass epigenetische Programme in einem gewissen Maß Phasen der Reproduktion steuern können. Wenn zum Beispiel werdende Mütter während der Schwangerschaft durch ihren Lebensstil den eigenen genetischen Code beeinflussen, kann das Auswirkungen darauf haben, welche Gene im Erbgut des Embryos aktiviert werden. Das können etwa Veränderungen in den Darm- oder Leberzellen sein, die bei der Zeugung weitervererbt werden. So zeigen Studien eine höhere Veranlagung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, wenn sich die Eltern oder Großeltern hochkalorisch ernährt haben.
Trendthema „Epi-Food“
Auf diese Annahmen baut auch das Lifestyle-Phänomen „Epi-Food“, das unter anderem der Health Report 2024 thematisiert. In dieser Publikation greift das Frankfurter ZukunftsInstitut regelmäßig aktuelle Entwicklungen und Trends auf, die auf Forschungsergebnissen basieren. Mit sogenanntem „Epi-Food“ soll eine passende, gesunde Ernährung das körpereigene Mikrobiom im Darm stimulieren, was lebensstilbedingte Erkrankungen mildern kann. Das ist an sich keine neue Erkenntnis, die auch Professor Wagner grundsätzlich unterstützt: „Sicher kann man mit einem gesunden Lifestyle, wie zum Beispiel mediterraner Kost, Nahrungsergänzung oder Sport, auf viele Erkrankungen präventiv Einfluss nehmen“, sagt der Wissenschaftler. „Es gibt erste Studien, die suggerieren, dass dies auch einen positiven Einfluss auf die Epigenetik hat.“ Sogar soziale Kontakte werden als positive Faktoren vermutet.1 Doch die Zusammenhänge seien noch nicht klar verifiziert und relativ oberflächlich. „Der Einfluss auf die epigenetischen Veränderungen ist nicht so gigantisch groß, wie man sich das vielleicht wünscht“, dämpft Professor Wagner die Erwartungen.
Innovative Therapiestrategien erwartet
Fest steht hingegen: Die Epigenetik eröffnet Möglichkeiten, Einblick in die Funktion von Biomarkern zu bekommen, also Merkmalen, die auf krankhafte Prozesse hinweisen, und sie zu verändern. Daher verspricht sich die Forschung von der Epigenetik verbesserte, innovative Therapiestrategien, sowohl generalisierte wie zunehmend auch personalisierte. In der Krebsbehandlung zum Beispiel könnte die Hypermethylierung herabgesetzt werden, also die Gen-Aktivität, die zu Tumorwachstum führt.
Alterungsprozesse besser verstehen
Ein weiteres Forschungsziel ist, den Alterungsprozess besser zu verstehen. So hat das Team um Professor Wagner 2011 erstmals beschrieben, wie sich der Alterungsprozess im Rahmen der Epigenetik verschiebt. Auf diese Weise lässt sich das biologische Alter abbilden – ist es jünger als das kalendarische, erwartet die Person zum Beispiel eine höhere Lebenserwartung. Nützlich kann das biologische Alter unter anderem in der Forensik sein oder um das Alter unbegleiteter junger Flüchtender zu bestimmen. Den Alterungsprozess zu beeinflussen oder zu verzögern, bezeichnet Professor Wagner jedoch als Zukunftsvision. Sie bedürfe umfangreicher Forschung, da das Altern zahlreiche Stellen des Genoms betreffe. Der Mediziner sieht es optimistisch-realistisch: „Gesund zu altern, wäre doch schon mal ein super Ziel!“
Erscheinungszeitpunkt: Juli 2025
Bildquelle: Coloplast
Redaktion: mk Medienmanufaktur GmbH
Genetik – Epigenetik: kurz erklärt
Die Genetik befasst sich mit der DNA (Desoxyribonukleinsäure), einem Bestandteil von Zellen. Sie enthält die Erbinformationen eines Individuums und funktioniert wie eine Art Bauanleitung für Proteine, die für Struktur, Funktion und Regulation aller biologischer Prozesse verantwortlich sind. Gene werden von Generation zu Generation weitervererbt.
Die Epigenetik erforscht die Modifizierung und Regulierung der DNA-Sequenzen durch Umwelteinflüsse und Lebensstil. Sie ist eine Art Bindeglied zwischen Umwelt und Genetik.
Vielfältige Einflussfaktoren
Die Epigenetik wird reguliert durch:
- körpereigene Faktoren wie Hormone und Enzyme
- Umwelteinflüsse wie Stress, Ernährung, Bewegung, soziale Kontakte, Tabak-/Alkoholkonsum, Infektionen, das Mikrobiom des Darms
- mütterliche Gene
Quelle: Professor Dr. Thomas Eggermann, Uniklinik RWTH Aachen

„Wir haben Möglichkeiten, epigenetische Muster zu verändern und Einblicke in ihre Funktionen zu bekommen.“
Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Wolfgang Wagner
Molekularbiologe und Arzt, Direktor des Instituts für Stammzellbiologie am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der Uniklinik RWTH Aachen
Bild: Uniklinik RWTH Aachen

Wie einen Bauplan trägt die DNA alle Erbinformationen von Individuen und gibt sie an die Zellen weiter.
Bild: Pixabay/ Vika_Glitter
https://pixabay.com/photos/dna-biology-the-science-dna-helix-7090994/

Epigenetik ist ihr „Steckenpferd“: Professor Wolfgang Wagner (im Bild rechts, hier mit seinem Mitarbeiter Juan Felipe Perez Correa) und sein Team forschen am Institut für Stammzellbiologie am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der Uniklinik RWTH Aachen.
Bild: Uniklinik RWTH Aachen

Die Forschungsrichtung Epigenetik hat durch Technologiefortschritte in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten an Fahrt aufgenommen.
Bild: Pixabay/ chaiyananuwatmongkolchai
https://pixabay.com/de/photos/wissenschaft-wissenschaftler-labor-7788808/

An der dänischen Westküste „Cold Hawaii“ befindet sich Europas Surferparadies.
Bild: Mark Wengler

Das Sandskulpturenfestival lockt jeden Sommer Schaulustige nach Søndervig an die dänische Nordseeküste.
Bild: Thomas Høyrup Christensen