Erhalten Sie vollen Zugriff mit einem kostenfreien Konto@headerTag>
Vorteile von Coloplast® Professional
Erhalten Sie vollen Zugriff auf alle Inhalte, Veranstaltungen und Materialien
Verfolgen Sie Ihren Fortschritt
Teilen Sie unterstützendes Material mit Ihrem Patienten
Teilen Sie Inhalte mit Ihren Kollegen
Der Beckenboden ist das Mauerblümchen des Muskeltrainings. Dabei entscheidet sein Tonus über Kontinenz oder Inkontinenz. Gerade Stomapatienten sollten frühzeitig darüber informiert werden, dass sie aktiv etwas für die Vermeidung einer Inkontinenz tun können. Alisa Hünerfeld ist Stomaträgerin, Physiotherapeutin und Beckenbodentrainerin. Sie plädiert für mehr Aufklärung und professionelle Unterstützung.
Der bevorstehende Eingriff zur Anlage eines Stomas löst bei Patienten viele Befürchtungen aus: Wird man im Alltag damit zurechtkommen? Werden peinliche Leckagen auftreten? Stimmt es, dass Stoma und Inkontinenz zusammengehören? An diesem Punkt schüttelt Alisa Hünerfeld den Kopf. „Gegen eine Inkontinenz können die Patienten aktiv etwas tun, nämlich mit Beckenbodentraining. Der Beckenboden ist eine Muskelschicht und kann, wie jeder Muskel, trainiert werden.“ Die 31-Jährige spricht aus eigener Erfahrung. Vor zehn Jahren wurde bei ihr Colitis ulcerosa diagnostiziert, seit 2018 lebt sie dauerhaft mit einem Ileostoma. Neben der Patientenseite kennt sie aber auch die fachliche Seite, denn sie ist examinierte Physiotherapeutin, Beckenbodentrainerin und seit einigen Monaten nun Gebietsmanagerin für Stomaversorgung im Außendienst von Coloplast.
Das Beckenbodentraining ist aber bereits der zweite Schritt. Der erste Schritt ist (oder wäre) die sorgfältige Aufklärung im Patientengespräch. Doch nicht bei allen Medizinern ist das Thema präsent. „Durch meinen beruflichen Hintergrund wusste ich bereits vor der Anlage meines ersten, damals noch temporären Stomas, dass der Beckenboden durch Inaktivität erschlaffen kann. Und ich wusste, dass es Kräftigungsübungen gibt. Aber mehr als nur ein Arzt in den letzten Jahren sagte zu mir: Das ist Quatsch.‘“
Wenn über den Beckenboden gesprochen wird, dann meist in Zusammenhang mit Schwangerschaft und Entbindung. Ansonsten wird diese wichtige muskuläre Struktur übersehen „und männliche Patienten wissen oft noch nicht einmal, dass sie überhaupt einen Beckenboden haben“, wundert sich Alisa Hünerfeld. Hier ist noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig, um deutlich zu machen, welchen Wert ein kräftiger Beckenboden hat. Wenn diese Information nicht von ärztlicher Seite kommt, sind Stoma- oder Physiotherapeuten gefordert. Oft finden sie einen vertrauteren Zugang zu den Patienten, was das Sprechen über den Intimbereich leichter macht.
Die Region um die Sphinkter im Genitalbereich ist für viele ungewohntes Gelände. „Man muss das anschaulich vermitteln“, erklärt Alisa Hünerfeld. Idealerweise weisen Ärzte oder Therapeuten die Patienten bereits vor dem Eingriff auf das Training der Beckenbodenmuskulatur hin. Der Faktor Zeit spielt hier durchaus eine Rolle. Gerade bei Patienten mit einem temporären Stoma bestimmt der Muskeltonus, festgestellt durch einen Schließmuskeltest (anale Manometrie), über die Rückverlegung des Stomas. „Diese Patienten sehnen den Tag der Rückverlegung herbei und sind natürlich enttäuscht, wenn wegen eines noch zu schwachen Schließmuskels der Termin verschoben wird“, sagt Alisa Hünerfeld. Aber auch Patienten mit einem auf Dauer angelegten Stoma sollten frühzeitig über Beckenbodentraining zur Inkontinenzprophylaxe oder Besserung einer bereits bestehenden Problematik aufgeklärt werden. Ein stillgelegter Analsphinkter kann etwa auch bei einer zunächst noch intakten Harnröhre zu einer Harninkontinenz führen, wenn der allmählichen Erschlaffung des Beckenbodens nicht entgegengewirkt wird. Stomapatienten sollten also, empfiehlt Alisa Hünerfeld, bald nach der Wundheilung vorsichtig mit dem Training beginnen: „Hierfür eignen sich bauchferne Übungen, die ein erfahrener Trainer vermitteln kann.“
Ohne Inkontinenz zu leben, ist ein wichtiger Baustein für Lebensqualität und Teilhabe an einem möglichst normalen Alltag. Ist dieses Bewusstsein vorhanden, steigert das die Motivation der Patienten, für sie geeignete Übungen zu erlernen und regelmäßig auszuführen. Dies wird dadurch noch erleichtert, dass Beckenbodenübungen feine unsichtbare Bewegungen sind, die überall und zu jeder Zeit gemacht werden können.
Quelle: Collegial Nr. 126 - Herbst/Winter 2023/2024
Bildquelle: Coloplast, Privat, istockphoto/Bohdan Kontoshchuk
Checkliste zum Beckenbodentraining
Im Internet sind viele Beckenbodenübungen und Hilfsmittel zu finden. Stomapatienten sollten jedoch professionelle Beratung aufsuchen und ein auf ihre jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Trainingsprogramm ausgearbeitet bekommen. Eine Verordnung des Beckenbodentrainings durch den Arzt ist möglich. Alisa Hünerfeld hat noch einige Hinweise aus ihrer Praxis:
- Es ist darauf zu achten, dass nicht die leichter anzusteuernde Bauch- oder Gesäßmuskulatur mit dem Beckenboden verwechselt wird.
- Die Muskulatur des Beckenbodens kann nicht nur erschlafft, sondern auch verspannt und verhärtet sein, etwa durch Narbengewebe.
- Nach einem chirurgischen Eingriff, etwa einer Stomaanlage, hat die Wundheilung Vorrang. Danach sollten die Patienten mit bauchfernen Übungen beginnen.
- Hilfsmittel wie ein Pilatesball, Pezziball oder Vibratoren (Vibrationsrolle/Ball) können das Training und das Ansteuern bestimmter Reizpunkte unterstützen.
- Ein gut konzipiertes Trainingsprogramm für den Beckenboden und das ganze Muskelkorsett beugt auch dem Auftreten von Hernien vor.
Praxistipp von Birgit Wilharm
Ein wacher, stabiler und funktionsfähiger Beckenboden bietet einen Ankerpunkt für die Körperstabilität und hat somit Auswirkung auf das gesamte Körperbild und die Ausscheidungsfunktion von Urin und Stuhlgang. Sprechen Sie das als Fachkraft aktiv bei Ihren Patienten an. Oft hilft auch eine Prise Humor. Ich sage meinen Patienten oft: ‚Haarprobleme klären Sie mit dem Frisör. Lackschäden am Auto geben Sie in die Werkstatt. Und Ihren Beckenboden überlassen Sie sich selbst? Das sollten Sie ändern. Begeben Sie sich auf die Reise zu Ihrem Beckenboden.‘
PS: Auch für Männer geeignet.