Abrechnung und Recht

Es erscheint widersprüchlich, dass der Einsatz moderner Wundauflagen zur erfolgreichen Wundheilung führt und gleichzeitig die Verordnung dieser Verbandmittel in der Wirtschaftlichkeitsprüfung als unwirtschaftlich bewertet und sanktioniert wird.

Bei genauerer Betrachtung kann sich der verordnende Arzt jedoch mit relativ geringem Aufwand vor der Bedrohung eines entsprechenden Regresses schützen. Ist ein Prüfungsverfahren bereits eingeleitet, besteht bei Beachtung von besonderen Abrechnungsregelungen eine große Chance den Regress abzuwenden.

Die folgenden Informationen sollen Ihnen einen Einblick in die speziellen Abrechnungsfragen der modernen Wundversorgung geben und Ihnen die Möglichkeiten für eine sinnvolle Abrechnung der Verbandmittel aufzeigen.

Bitte beachten Sie, dass wir Ihnen nur allgemeine Informationen zu Abrechnung der Wundversorgung bieten können. Eine Beratung für individuelle Einzelfragen ist in diesem Rahmen nicht möglich, Aussagen über Rechtsfragen ersetzen keine Rechtsberatung.

Die Stellungnahmen zu rechtlichen Fragen der Abrechnung bei der Durchführung der modernen Wundversorgung beinhaltet Informationen, die bis September 2021 veröffentlicht wurden. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der nachfolgenden Inhalte wird keinerlei Gewähr übernommen.

Abrechnungsgrundsätze

Im Rahmen des SGB V ist eine Verordnung zulässig, wenn sie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Die Begriffe „ausreichend, zweckmäßig" und „wirtschaftlich" sind vom Gesetzgeber und durch Gerichtsentscheidungen näher definiert. Eine Leistung ist demnach ausreichend, wenn sie nach Umfang und Qualität hinreichende Chancen für eine Heilung bietet und einen Mindeststandard garantiert. Zweckmäßig ist eine Leistung, die zur Herbeiführung des Heilerfolgs geeignet und hinreichend wirksam ist. Als notwendig gelten Leistungen, die unentbehrlich, unvermeidlich oder unverzichtbar sind.

Als wirtschaftlich im Sinne des SGB V wird eine Leistung angesehen, wenn die gewählte Therapie im Vergleich zu anderen ein günstiges Verhältnis von Kosten und Nutzen aufweist.

Moderne Wundverbände erfüllen diese Kriterien:

  • Moderne Wundverbände sind „ausreichend“, da sie im Gegensatz zu traditionellen Verbänden die medizinische Qualität der Wundbehandlung verbessern.
  • Moderne Wundverbände sind zweckmäßig , da sie den Heilungsprozess beschleunigen und damit wirksam sind.
  • Moderne Wundverbände sind „notwendig“, da sie unverzichtbarer Bestandteil der Wundversorgung sind und damit medizinisch notwendig sind.
  • Moderne Wundverbände sind „wirtschaftlich“, da sie im Vergleich mit anderen Therapien der Wundversorgung, trotz höherer Produktkosten, ein besonders effektives Behandlungsergebnis erzielen.

Wirtschaftlich bedeutet nicht, dass der kostengünstigste Verband verordnet werden muss. Als Teil einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind auch Tragedauer, d.h. die Zahl der Verbandwechsel im Behandlungsverlauf, zu berücksichtigen. Ein kostengünstiger Verband, der häufiger gewechselt werden muss als ein kostenintensiverer Verband mit längerer Tragedauer, kann sich durchaus als unwirtschaftlich erweisen.
Moderne Wundversorgungsprodukte können auch als Sprechstundenbedarf verordnet werden. Die Möglichkeiten sind regional unterschiedlich, je nachdem, ob die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) das Produkt (Verbandmittel) in der Sprechstundenbedarfsvereinbarung aufgeführt hat. Auch beim Einsatz von Sprechstundenbedarf gilt für die Verordnung und Anwendung das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Verbandmittel und Medizinprodukterecht

Moderne Wundversorgungsprodukte sind keine Arzneimittel, sondern Medizinprodukte. Verbandmittel unterliegen als Medizinprodukte insbesondere den Regelungen des nationalen Medizinprodukterechtes (MPDG) und der Europäischen Medizinprodukte Verordnung (MDR).

Dies gilt auch für so genannte „aktive Wundauflagen“, d. h. solche Wundauflagen, die Wirkstoffe, wie z. B. Silberionen oder Ibuprofen durch Wundexsudataufnahme in die Wunde abgeben.

Moderne Wundversorgungsprodukte sind nach § 31 SGB V als Verbandmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Verbandmittel fallen nicht unter die Regelung für arzneimittelähnliche Medizinprodukte (gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und nicht unter die Ausschlussregelung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB V. Bis zum Ende der Übergangsfrist, dem 2. Dezember 2023, gilt die Erstattungsfähigkeit auch für Produkte, die vermutlich als »Sonstige Produkte zur Wundversorgung« (silber- und ibuprofenhaltige Verbände, Hydrogele) einzustufen sind.

Ausgabenvolumen und Wirtschaftlichkeitsprüfung

Das Ausgabenvolumen wird zwischen den Verbänden der Krankenkassen und der regionalen Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart.

Diese Vereinbarung stellt die Obergrenze der Arznei- und Verbandmittel- sowie der Heilmittelausgaben dar, jedoch nicht für die einzelne Praxis sondern als Gesamtvolumina, jeweils in den bundesweit 17 kassenärztlichen Vereinigungen.

Zu den in § 31 SGB V genannten Leistungen zählen:

• Apothekenpflichtige Arzneimittel
• Harn- und Blutteststreifen
• Verbandmittel
• Diäten zur enteralen Ernährung

Verbandmittel und Arzneimittel unterliegen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Die jeweilige Prüfvereinbarung die zwischen der KV und Krankenkassen vereinbart wird, regelt näheres. Grundsätzlich sind die KV´en in der Ausgestaltung ihrer Prüfmethoden frei. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen haben jedoch Grundsätze hierzu vereinbart.

Es sollen beispielsweise nicht mehr als 5% der Ärzte aus einer Fachrichtung geprüft werden. Größtenteils kommen Auffälligkeitsprüfungen zur Anwendung, z. B. Durchschnittsprüfungen oder Prüfung nach Zielwerten bei Arzneimitteln. Für die Wundversorgung sind allerdings nur in wenigen KV-Gebieten spezielle Prüfmethoden vereinbart worden.  Die Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt auf Antrag der Kostenträger gegenüber der gemeinsamen Prüfungsstelle (Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung).

Eine Praxis welche in eine Wirtschaftlichkeitsprüfung geraten ist, sollte die Widerspruchsmöglichkeiten nutzen, und anhand einer Stellungnahme begründen, um den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit zu entkräften. Ein besonderes Patientengut und die dadurch entstandenen besonderen Kosten kommen hierbei in Betracht. Die so genannten Praxisbesonderheiten sind dem Grunde und der Höhe nach zu belegen. Auf Übersichtlichkeit der Unterlagen und eine strukturierte Darstellung sollte geachtet werden. Die Stellungnahme sollte strukturierte Angaben enthalten, durch die Praxisbesonderheiten berücksichtigt werden können. Ein statistische Häufung von Wundpatienten in der Praxis kann eine Praxisbesonderheit darstellen. Somit sind die mit dem Patientenklientel im Zusammenhang stehenden Verordnungen bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, von der vorgeworfenen Überschreitung im Vergleich zur Fachgruppe abzuziehen.